
Marie Colinet
Chirurgin & Hebamme im ausgehenden 16. Jahrhundert
Marie Colinet
* vor 1587 in Genf, † um/nach 1638 in Bern
Marie Colinet, auch Maria Colinet und Marie von Hilden, war eine Wundärztin und Hebamme in einer Zeit, als Heiler durch die Lande reisten und nur die besten zum "Stadtarzt" erklärt wurden. Dies war der Fall für ihren Ehemann Wilhelm Fabry (Wilhelm von Hilden), der die ärztliche Praxis teils minutiös dokumentierte und bis heute als "der deutsche Vater der Chirurgie" und als Stadtarzt von Bern noch bekannt ist. Derweil muss Marie selbst eine außergewöhnliche Medizinerin gewesen sein.
Zum Portrait
Ist das Marie Colinet?
Von Marie Colinet gibt es kein gesichertes Portrait. Wir kennen ihre Gesichtszüge nicht und wir können nur spekulieren, dass sie eine für die Zeit typische Hebammenhaube trug. Dieses von mir gestaltete Portrait zeigt meine Idee von Marie Colinet. Zwischen Zeigefinger und Daumen hält sie einen Magneten, mit dem sie die sogenannte Magnetextraktion am Auge erstmals durchführte. Das Bildformat und die Pose habe ich so gewählt, dass Marie zu dem (vermutlich einzig) existierenden Portrait ihres Mannes Wilhelm Fabry passt.
Biographie
Eine medizinisch hoch gebildete Frau mit präzisem Wissen, wie chirurgische Eingriffe durchzuführen und Wunden zu versorgen sind
Das genaue Geburtsjahr von Marie Colinet ist nicht bekannt. Ihre Heirat mit Wilhelm von Hilden (1560-1634) ist für 1587 verbrieft, weshalb sie vermutlich um 1570 oder früher geboren ist.
Maries Vater Eustache Colinet (verheiratet mit Clauda Cordier) kommt 1579 nach Genf, als Buchhändler und Verleger. Genf ist im 16. Jahrhundert das reformerische Zentrum des Calvinismus und Zufluchtsort für vertriebene Hugenotten aus Frankreich. In den 1570er Jahren gibt es infolge der Bartholomäusnacht (1572) eine Welle von Flüchtlingen. Maries Vater bleibt bis zu seinem Tod 1588 in Genf, so auch Marie und ihr Mann Wilhelm, die nach des Vaters Tod für drei Jahre nach Hilden gehen (1589-1592). Den längsten Teil ihres Lebens verbringen Marie und Wilhelm jedoch in Bern, wo Wilhelm schließlich zum Stadtarzt ernannt wird.
Während über Marie Colinet nur sehr wenig bekannt ist, ist ihr Mann dagegen ausführlichst dokumentiert. So gibt es kein verbrieftes Portrait von ihr, jedoch eines von Wilhelm, das sich heute im Universitätsarchiv der Uni Bern befindet und eine Kopie im Wilhelm Fabry Haus in seiner Heimatstadt Hilden. Bis heute ist er bekannt als "deutscher Vater der Chirurgie aus Hilden". Seine medizinische Ausbildung erhielt Wilhelm zunächst im nahegelegenen Düsseldorf und ging dann nach Genf, was seinerzeit bekannt für sehr gute Ärzte war. Hier lernten Marie und Wilhelm sich kennen.
Wir wissen, dass Marie Colinet lesen und schreiben konnte; ihre Brüder Jean und Pierre waren auch Ärzte (Olivier 1961: 491). Wir wissen allerdings nicht, ob Marie vor ihrer Hochzeit mit Wilhelm bereits eigene medizinische Kenntnisse hatte. Da ihre Brüder auch Ärzte waren, könnte das durchaus der Fall gewesen sein. Aus den Werken ihres Mannes können wir ablesen, dass Marie die Praxis der Chirurgie von ihrem Mann erlernt hat (vielleicht nicht ausschließlich). Er erwähnt Marie immer wieder lobend in seinen "Chirurgischen Wahrnehmungen": seine Ehefrau sei ein "gelehrtes Frauenzimmer, der Anatomie und Chirurgie kundig", und habe auch bei der "Ausziehung der toten Frucht aus dem Mutterleibe treffliche Proben ihrer Geschicklichkeit abgelegt." (zitiert nach Schönfeld: 104) Noch in seinem Testament trifft er fürsorgliche Anordnungen für Marie (Schönfeld: 105).
Diese Wertschätzung erscheint umso gewichtiger, als dass Wilhelm Fabry in seinen "observaciones" bewusst nicht alles alles Wissen festhält, weil er nach eigener Auskunft die Barbiere (die auch Operationen vornehmen) und Hebammen seiner Zeit für zu stumpfsinnig und einfältig einschätzt, um dieses Wissen korrekt und ohne Schaden am Patienten anzuwenden.

Auszug aus Wilhelm Fabrys Obs. 21 (Centuria V) über die Magnetextraktion, die seine Frau offenbar erstmals durchführte und die heute in Medizingeschichtsbüchern allein ihm zugeschrieben wird, obwohl der original Wortlaut anderes nahelegt:
"Unterdessen hat mein Hausfrau ein viel taugenlichers Mittel erdacht. Dann in dem ich mit beeden Händen die Augenlieder auffgethan hat sie ein Magnetstein so nahe zu dem Aug gehalten, als der Krancke hart leyden mögen. Welches als wir es etlich mahlen und zwar durch Widerholung gethan (dann er hat das Liecht nicht lang leyden können – dessen wir aber zu dieser Verrichtung hoch vonnöthen gehabt – ist endlich die Schlacken aus dem Aug an den Magnet gesprungen, daß wir alle zugesehen haben. Nachgehends als wir ein Schmerzen stillend Augenwasser gebraucht, ist er in Kürze wider gesund worden."
In seinen Texten spricht Wilhelm Fabry gegenüber seiner Frau lebenslang wertschätzend und erwähnt sie immer wieder lobend: Centuria VI: Obs. 63, Centuria II: Obs. 56 (Maries Schwangerschaft), Centuria II: Obs. 91, Centuria V: Obs. 21 (Magnetextraktion).
Historisches Bild- und Textmaterial
Marie Colinets Schrift, Wilhelm Fabrys (auch: Fabricius Hildanus) Portrait
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