
Eleanor + Eleanor Coade
Unternehmerinnen
Eleanor (Elinor) Coade
* 3. Juni 1733 (Lyme Regis, England), † 18. November 1821 (London, England)
Eleanor Coade (geb. Enchmarch) Senior
* ~1709 (England), † ~1796 (London, England)
Wer in London die Architektur des späten 18. Jahrhunderts mit ihren dekorativen Elementen bewundert, hat sehr wahrscheinlich seine Augen gerade auf den berühmten Coade Stone gerichtet: ein künstlich hergestellter Stein, der auch über 200 Jahre später noch makellos ist. Schon zu ihren Lebzeiten hieß es (fälschlicherweise), dass Eleanor Coade (junior) Erfinderin dieser Steinkunst gewesen sei. Daraus wurde ein Mythos.
Heute können wir mit Sicherheit sagen, dass Eleanor Coade und ihre Mutter Eleanor Coade geschickt und höchst erfolgreich ein Unternehmen und eine Marke aufgebaut haben: Coade Stone. Die Herstellung an sich war schon länger bekannt und ist keine Erfindung der Coades. Die Perfektionierung der Rezeptur, das perfekte Marketing und die selbstbewusste Unternehmensführung dagegen schon.
Zum Porträt
Zwei Frauen, zwei Generationen, ein Name, der zum Mythos wird
Mit 1,40 m x 1,35 m ein großes Porträt. Es steht in der Tradition der Porträts der Zeit in England, als die Maler Thomas Gainsborough und Joshua Reynolds sich einem erbitterten Wettstreit um künstlerischen Vorrang lieferten. Aus dieser Zeit übernehme ich einen beliebten Bildaufbau, in dem im Vordergrund die Porträtierten stehen (oder sitzen), gerahmt von einem Baum, mit freiem Blick auf die Landschaft im Hintergrund. In der Landschaft liegt das London der Zeit. Die St. Paul's Cathedral steht schon, am südlichen Themse-Ufer liegt der damals noch dörflich geprägte Ortsteil, in dem die Fabrik stand: Lambeth.
Die beiden Coade-Damen habe ich wie ein Ehepaar arrangiert: Mutter Coade sitzt auf einer niedrigen Steinmauer, die Hand der Tochter ruht auf ihrer linken Schulter. Während Mutter Coade in einem detailreichen Kleid mit passend ausladend dekoriertem Hut in Pastellfarben gekleidet ist, wie es um die 1770er üblich war, trägt Tochter Coade eine Redingote (eine Art Reitermantel) aus dunklem schweren Material und einen unverzierten hohen schwarzen Hut, wie es um 1800 modisch wurde. Auf der Steinmauer liegt ein Papier mit einer Zeichnung: Dem Deckblatt eines Katalogs der Coades. Am Baum lehnt ein exemplarisches Architekturelement aus Coade Stone.
Eleanor Coade war ein Marketinggenie.
Sie schaltete regelmäßig Anzeigen, erhielt königliche Anerkennung als offizielle "Lieferantin" und sorgte dafür, dass sich ihre Kundschaft das Produkt dreidimensional vorstellen konnte:
"Frau Coade interessierte sich für die Innendekoration und suchte nach Möglichkeiten, ihr Produkt für die Verschönerung von Esszimmern, Sälen und Salons zu verwenden. In dem Handbuch, das die Exponate in der Coade's Gallery/ihrem Ausstellungsraum in der Nähe der County Hall beschrieb, bot sie an, maßstabsgetreue Modelle von Räumen anzufertigen, auf denen Coade-Statuen, Fackeln, Plaketten, Kaminteile usw. in situ [vor Ort] zu sehen waren, so dass sich der Kunde eine dreidimensionale Vorstellung von einem Entwurf machen konnte." (Alison Kelly: 1974, Deepl.com Übersetzung)
Die Geschichte von Coade Stone
Mutter und Tochter übernehmen gemeinsam mit Daniel Pincot die Geschäftsführung einer Manufaktur für künstlichen Stein, die Pincot zuvor allein geführt hatte.
Der junge talentierte Bildhauer John Bacon, der schon zuvor von Pincot angestellt wurde, gewinnt einen prestigeträchtigen Preis für seine künstlerische Leistung: die Goldmedaille der neu gegründeten Royal Academy, zu deren ersten Mitgliedern er ab 1770 gehören wird. Bacons Fähigkeiten und Reputation verleihen den Designs aus dem Hause Coade Stone hohe künstlerische Glaubwürdigkeit – davon profitiert später der Name Coade.
Eleanor Coade erklärt in einer öffentlichen Anzeige am 17.09.1771, dass Daniel Pincot keine Vertretungsbefugnisse mehr hat. Ein paar Tage später veröffentlicht sie eine weitere Anzeige, in der Daniel Pincot aus der Geschäftsführung offiziell ausscheidet.
Nach 1773 Mutter Eleanor Coade nicht mehr in den Büchern von Coade Stone auf. Sie ist jetzt etwa 65 Jahre alt. Tochter Eleanor Coade beginnt nun jedes Jahr ihre eigenen Entwürfe in der Society of Artists zu präsentieren (bis 1778 und noch einmal 1780).
Ab 1773 finden sich regelmäßig Werbeanzeigen für "Eleanor Coade's Stone Manufactory". Betont wird die Aufsicht durch John Bacon, Bildhauer (heute würden wir ihn als "Chefdesigner" betiteln), sowie der günstigere Preis gegenüber Naturstein sowie die außergewöhnliche Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen die Witterung.
Bisher hieß der Stein "Lithodipyra", griechisch für Stein, der zweimal gebrannt wird. In einer Anzeige wird die Umbenennung öffentlich gemacht. Ab sofort werden alle Werkstücke, die die Fabrik verlassen, mit COADE geprägt. Eine selbstbewusste Entscheidung, die auch dafür sorgen wird, dass man diese Art von Terracotta für eine Erfindung der Coades halten wird. (Das ist allerdings widerlegt; die Rezepturen gehen auf frühere Manufakturen, nachweislich schon um 1720, zurück.)
Der Katalog umfasst nicht weniger als 778 Designs. Kunden können auch individuelle Anpassungen vornehmen lassen – etwas, das heute unter dem Begriff "Custom design" populär ist.
Mutter Coade stirbt im hohen Alter von 87 oder 88 Jahren. Sie erhält keinen Nachruf, weswegen davon auszugehen ist, dass der Name "Coade" nun nur noch mit ihrer Tochter Eleanor Coade Junior verbunden wird.
John Bacon stirbt. Eleanor Coade holt ihren Cousin John Sealy in die Firma. Er bringt auch frischen Wind mit. Gemeinsam eröffnen sie eine Galerie – neudeutsch: Showroom – auf der Westminster-Bridge-Road, die für die gut betuchte Kundschaft angenehmer und einfacher aufzusuchen ist als die Fabrik auf dem unwegsamen Gelände zwischen Fabriken und Brauereien in Lambeth. Ein eigener Showroom-Katalog wird gedruckt; auf der letzten Seite steht, wann der Showroom öffnet und wie Bestellungen entgegen genommen werden.
Im Jahr 1810 wählte eine dankbare Nation die Coade-Manufaktur aus, um ihr Nelson-Denkmal im King-William-Hof des Greenwich-Krankenhauses auszuführen. Inzwischen hatte COADE Stone schon die königliche Ernennung (royal appointment) von King George III und King George IV inne.
Nach dem Tod Sealys holt Eleanor Coade ihren angeheirateten Cousin William Croggan (Croggon) in die Firma. Sie ist jetzt 80 Jahre alt.
Im Alter von 89 Jahren stirbt Eleanor Coade und hinterlässt ein Vermögen an Familienmitglieder und an einzelne verheiratete Frauen, mit der Auflage dieses Geld möge diesen Frauen persönlich und frei zur Verfügung stehen.
Das Ende der Georgian Era ist auch das Ende des Erfolgs von Coade Stone unter der Leitung von William Croggan.
Historisches Material
Die Forschung über die COADEs wurde maßgeblich von Alison Kelly vorangetrieben; einige Teile der Geschichte bleiben noch im dunkeln, zum Beispiel ob Mutter oder Tochter 1769 den Fabrikkauf initiierten. Hier einige Originale aus der Zeit.
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