
Lise Meitner
Lise Meitner · Kernphysikerin
Lise Meitner
* 7. November 1878 Wien, † 27. Oktober 1968 Cambridge (UK)
Lise Meitner ist zweifelsohne eine der bedeutendsten Physikerinnen des 20. Jahrhunderts. Als erste Frau habilitierte sie in Physik an der Berliner Universität und leitete später eine eigene Abteilung am Kaiser-Wilhelm-Institut.
Gemeinsam mit Otto Hahn, Chemiker, erforschte die Physikerin Lise Meitner radioaktive Prozesse und lieferte 1939 die erste physikalische Erklärung der Kernspaltung, auf Basis eines Experiments, das Hahn durchgeführt hatte und das sie folgerichtig interpretierte – die Grundlage der Kernphysik. Während Hahn 1944 dafür den Chemie-Nobelpreis erhielt, wurde Meitners entscheidender Beitrag übergangen. 1938 musste sie als Jüdin aus Nazi-Deutschland fliehen und setzte ihre Forschung in Schweden fort. Trotz vielfacher Ehrungen zu Lebzeiten – ein chemisches Element wurde nach ihr benannt, sie erhielt Dutzende von Nobelpreisnominierungen (ohne jemals den Nobelpreis zu erhalten), wurde ihre bahnbrechende Rolle bei der Entdeckung der Kernspaltung erst spät angemessen gewürdigt.

«Lise Meitners Geschichte hat mich besonders getroffen: Wie selbstverständlich es für eine Frau war, im Keller des Instituts zu arbeiten, damit niemand bemerken würde, dass eine Frau an einem wissenschaftlichen Institut tätig ist. Heute ist es unvorstellbar, aber wenn wir ehrlich sind, gibt es auch heute noch Gruppen von Menschen, die wir genauso ausgrenzen. Wir haben noch viel zu verändern, um alle Menschen gleich zu behandeln.»
– Roxana Panetta über das Portrait
Biographie
Entdeckerin der Kernspaltung neben Otto Hahn
Lise Meitner brach als Wissenschaftlerin mehrfach Barrieren: Als zweite Frau promovierte sie an der Universität Wien in Physik und wurde später erste Physik-Habilitandin in Preußen – zu einer Zeit, als Frauen an preußischen Universitäten einen äußerst schweren, bisweilen nicht vorhandenen Stand hatten. Am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin-Dahlem etablierte sie sich als international anerkannte Expertin für Radioaktivität. In 30-jähriger Zusammenarbeit mit Otto Hahn erforschte sie die Grundlagen Kernphysik. Trotz ihrer Position als Abteilungsleiterin musste sie als Frau anfangs durch den Hintereingang ins Institut und durfte nicht in den Labors der Chemie-Abteilung arbeiten, die sich in einem anderen Gebäudeteil befanden.
Die Entdeckung der Kernspaltung
Der wissenschaftliche Durchbruch für Lise Meitner kam 1938/39: Nach ihrer Flucht vor den Nazis nach Schweden interpretierte sie gemeinsam mit ihrem Neffen Otto Frisch die von Hahn durchgeführten Experimente. Sie erkannte als Erste, dass bei der Bestrahlung von Uran eine Kernspaltung stattfand, und berechnete die dabei freiwerdende Energie. Diese fundamentale Entdeckung, die sie mit Frisch publizierte, legte den Grundstein für die weitere Kernforschung. Während Otto Hahn 1944 den Nobelpreis für Chemie erhielt, wurde Meitners entscheidender theoretischer Beitrag an dieser Entdeckung von der Nobelpreis-Jury ignoriert.
Wissenschaftliches Vermächtnis
Meitner lehnte trotz ihrer bahnbrechenden Erkenntnisse jede Beteiligung an der militärischen Nutzung der Kernspaltung ab. In Schweden setzte sie ihre Forschung fort und erhielt zahlreiche wissenschaftliche Ehrungen. Das Element 109 "Meitnerium" wurde nach ihr benannt, ebenso wie Forschungsinstitute und wissenschaftliche Auszeichnungen. Albert Einstein nannte sie "unsere Marie Curie". Dennoch wurde die volle Bedeutung ihrer wissenschaftlichen Leistungen erst posthum erkannt. Heute gilt sie als herausragendes Beispiel einer Wissenschaftlerin, die trotz geschlechterspezifischer und politischer Hindernisse Außergewöhnliches leistete und deren Entdeckungen die Physik des 20. Jahrhunderts fundamental prägten.
Für das Portrait verwendetes Bildmaterial
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Lise Meitner um 1930 in ihrem Labor im Kaiser Wilhelm Institut für Chemie in Berlin-Dahlem (Quelle: Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft)
Lise Meitner um 1930 in ihrem Labor im Kaiser Wilhelm Institut für Chemie in Berlin-Dahlem (Quelle: Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft) -
Lise Meitner und Otto Hahn im Labor am neu gegründeten Kaiser Wilhelm Institut (KWI) für Chemie um 1912 (Bildquelle: Churchill Archives Center)
Lise Meitner und Otto Hahn im Labor am neu gegründeten Kaiser Wilhelm Institut (KWI) für Chemie um 1912. Sie arbeiten über Jahrzehnte eng zusammen - er ist Chemiker, sie Physikerin. (Bildquelle: Churchill Archives Center)